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Monday, 14. June 2010Dreiviertelzeit mit SchwarzwälderkirschtorteInzwischen kann ich es wohl schon als Tradition bezeichnen. Jedes Mal, wenn ich mich im chinesischsprachigen Ausland aufhalte, trage ich die heimische Kultur auf kulinarische Art und Weise hinaus in die weite Welt: ich backe eine Schwarzwälderkirschtorte. Als ich (vor 10 Jahren!) das erste Mal in Taiwan war, damals in Tainan in Taiwans Süden, habe ich eine solche für meine Arbeitskollegen gebacken. Wochenlange Vorbereitungszeit, stundenlange Schweißarbeit, in wenigen Minuten aufgegessen. Als ich 2007 in Dalian, China, einen Sprachkurs besucht habe, hatte meine Sprachaustauschpartnerin nur einen sehnlichen Wunsch: dass ich ihr zeige, wie man eine echte Torte aus dem Schwarzwald backt. Mangels Küche saßen wir auf dem Boden und wechselten uns ab mit dem Rührbesen beim Teig- und Sahneschlagen. Hier in Taipei habe ich die Reihe nun fortgesetzt. Eine Freundin einer meiner Lehrerinnen hat ein kleines Geschäft mit dem schönen Namen Flügel, in welchem sie deutsche Kuchen verkauft. Mit ihr und einigen ihrer Freundinnen bzw. Kolleginnen habe ich nun meine dritte Schwarzwäldertorte im fernen Osten gebacken. Obwohl ich dieses Mal so gut ausgestattet war wie noch nie (wir hatten sowohl eine Waage als auch ein Rührgerät!) ist es die mit Abstand hässlichste Torte geworden, die ich je gebacken habe... Lecker war sie wenigstens. Backaktion Ein kleines Geschäft heißt hier im Übrigen wirklich klein. Ein eigenes Geschäft zu eröffnen gilt in Taiwan als etwas sehr Erstrebenswertes und ist zudem um Einiges einfacher als in Europa. Ständig eröffnen daher an allen Ecken und Enden neue Geschäfte, zum Teil nur einfache kleine Stände, und verschwinden eben so schnell wieder. Wenn das eigene Geschäft nicht läuft, macht man eben was anderes. Berufe kommen und gehen. Eine junge Frau die meinen Backkurs besucht hat, ist beispielsweise zurzeit Masseurin. Sie möchte sich umorientieren und daher nun lernen wie man Kuchen backt. Mit Kuchen hatte sie bisher nichts zu tun, gebacken hat sie auch noch nie, aber das kann ja noch werden. Später möchte sie etwas ganz anderes machen, vielleicht ein eigenes Geschäft aufmachen und irgendetwas verkaufen, Kleidung vielleicht. Auch viele meiner Chinesischlehrerinnen sind nur vorübergehend Lehrerinnen. Sie wollen das ein paar Jahre machen, dann was anderes ausprobieren. Immer dasselbe zu machen sei schließlich langweilig. Selbstverständlich hat diese Flexibilität neben Vorteilen auch so einiges an Nachteilen. So weiß man nie, ob der Friseur, den man heute besucht, nicht gestern noch Automechaniker war. Es gibt Berufsschulen, aber keinen vorgeschriebenen Ausbildungsweg. So passieren dann solche Sachen wie bei uns in der WG-Küche. Bevor ich eingezogen bin, kamen anscheinend üble Gerüche aus dem Abfluss im Küchenboden. Einen Anruf an den Vermieter genügte, der schickte sofort einen Handwerker. Oder vielleicht besser, „Handwerker“. Dieser nämlich rührte kurz entschlossen einfach einen Eimer Beton an und goss den in den Abfluss. Aufgabe gelöst, Geruchsproblem beseitigt. Seitdem haben wir zwar keinen Gestank in der Küche aber auch keinen Abfluss im Küchenboden mehr. Die Mieter unter uns mussten sich durch den Beton bohren, um ihre Rohre wieder frei zu bekommen.
Ghostburger. Der stolze Besitzer nennt sich auf Chinesisch Xiao gui, was so viel heißt wie kleiner Geist... Die positive Seite dieses kreativen Chaoses ist, dass sich jeder einfach mal an verschiedenen Berufen ausprobieren kann. So hat auch einer meiner Mitstudenten, zu Hause Student an der Eliteuniversität Yale, mal eben ein Quartal Chinesischunterricht ausgesetzt um stattdessen einen eigenen Burgerstand auf dem Nachtmarkt aufzumachen. Eine Kühltasche, eine Gasplatte mit Gasflasche, eine Pfanne, viel mehr braucht man nicht für das Kleinstunternehmen. Ghostburger warden geboren. Selbstverständlich müssen auch hier in Taiwan Genehmigungen eingeholt werden, auf dem Nachtmarkt, munkelt man zumindest, sowohl von der Polizei als auch von der Mafia, aber es ist trotz allem sehr viel weniger umständlich als daheim. Auch Flügel ist solch ein eine-Frau-Unternehmen. Es ist ein kleines Geschäft in einer kleinen Nebenstraße. Der Laden besteht aus einer Verkaufstheke mit vier Hockern. Es gibt nicht mehr als drei Sorten Kuchen pro Tag, meistens Rührkuchen. Und Tiramisu. Die Besitzerin backt alle Kuchen selber in ihrer WG Küche, auch den Verkauf macht sie fast immer alleine. Sie hat eine Zeitlang in Deutschland studiert und fand die Kuchen dort so toll, dass sie diese Kunst nach Taipei bringen wollte. Wir haben also zu fünft in ihrer WG-Küche Torte gebacken, wobei sich der Spruch mit den vielen Köchen bewahrheitet hat. Der aber wohl besonders gilt, wenn drei der fünf Köche noch nie gebacken, Sahne geschlagen oder Kirschen eingedickt haben. Oder überhaupt echte Torte gegessen haben. Und der Ofen ein kleiner Toasterofen ist. Und das Spezialgeschäft mit den Backzutaten ausgerechnet am Backtag geschlossen hat. Das Unterfangen Torte in Taiwan hat letztlich sehr viele, schweißtreibende Stunden gedauert, dafür aber auch jede Menge Spaß gemacht. Und geschmeckt. Ansonsten habe ich nun tatsächlich schon drei meiner vier Quartale im ICLP hinter mir. So richtig fassen kann ich es nicht. Andererseits merke ich an meiner Erschöpfung, dass tatsächlich viel Wasser den Jilong Fluss herunter geflossen ist, seit ich hier am Lernen bin. Man munkelt, das Sommerquartal sei lockerer als die anderen drei, ich hoffe es sehr. Im Moment habe ich zwei ganze Wochen Ferien, genügend Zeit also, um ein wenig Luft zu schnappen vor dem Endspurt. Die erste Ferienwoche habe ich vor allem mit Abschied verbracht, da der Großteil meiner Mitstudenten nach diesem Quartal wieder nach Hause gereist ist. Nur wenige Tapfere bleiben nicht nur für das akademische, sondern für das ganze kalendarische Jahr. Dafür kommen über den Sommer viele neue Studenten, die nur für die Summer School nach Taiwan reisen. Neben Taschentuchwinkerin war ich in dieser Woche vor allem Taipeitouristin. Endlich einmal habe ich mir die Zeit genommen, die Ecken Taipeis und Umgebung zu erforschen, die man als typischer Besucher Taipeis besichtigt, als gestresster Bewohner aber allzu gerne vernachlässigt. Ich war am Jilong Fluss spazieren, im Wissenschaftsmuseum spielen und in einem KTV-Koloss (Karaoke-Burg mit privaten Zimmern) singen. Ich bin mit der Gondel hoch zu den Teehäusern von Maokong geschwebt, wo wir uns nach einem Spaziergang durch die Teeplantagen auf der Terrasse eines Teehauses mit Panoramablick auf Taipei ausgeruht haben. Dort konnten wir einen extrem feinen Oolong-Tee und ein ebenso leckeres Abendessen inklusive Teeblattreis genießen während über unseren Köpfen der Himmel langsam dunkel und zu unseren Füßen die Stadt langsam hell wurde.
Blick von Maokong auf Taipei Dienstag haben wir die äußerst seltene Koinzidenz von Ferientag und gutem Wetter genutzt, um in das eine Stunde Zugfahrt nördlich von Taipei gelegene Fulong zu fahren. Dort haben wir bei strahlendem Sonnenschein einen Nachmittag am Strand verbracht. Wir konnten überdimensionale Sandkunstwerke bewundern, die anlässlich eines Wettbewerbs am Strand aufgebaut worden waren. Von solch hoher Kunst inspiriert, haben wir uns gegenseitig im Sand verbuddelt und anschließend in dem kleinen, eingezäunten, argwöhnisch bewachten Abschnitt der Bucht in dem Schwimmen erlaubt ist, die Wellen uns den Sand wieder vom Körper spülen lassen. Freitag war ich auf einem Konzert des taiwanesischen Mega-Stars Jay Chou. Es war eines von zwei Konzerten, die im Rahmen seiner Welttournee in der riesigen Taipei-Arena stattfanden. Ein paar seiner Lieder fand ich richtig gut, der Großteil ist allerdings nicht so mein Geschmack, Mandopop eben. Dafür war die Show großartig, mit Lasern, Feuerwerk, Tänzern etc. Jay Chou ist wegen seiner musikalischen Vielfältigkeit und Kreativität nicht nur in Taiwan extrem beliebt. Die Karten zu beiden Konzerten in Taipei waren jedenfalls innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Einige meiner Mitstudenten, die im Gegensatz zu mir echte Fans sind, haben am Tag des Kartenvorverkaufsstarts alle Kurse ausfallen lassen, um sich in den frühen Morgenstunden anzustellen – für den Verkaufsstart um 12.00 mittags. Mehrere taiwanesische Fans haben sogar vor dem Laden übernachtet. Ein Mitstudent hat seinen Rückflug nur wegen des Konzerts verschoben, Gebühr: 200 US Dollar. Deren Tickets haben dementsprechend auch das 3-5-fache von meinem gekostet… dafür konnten sie bestimmt auch mehr sehen als ich. Gestern schließlich konnte ich die Freiheit der Ferien nutzen um mitten in der Nacht in die Kneipe zu gehen. Dort konnte ich bis in die frühen Morgenstunden mit einem australischen Freund (und einem kanadischen der an dieser Stelle irrelevant ist) das Spiel Deutschland – Australien verfolgen. Seine Stimmung wurde immer mieser, meine immer besser. Ich fühlte mich dabei fast wie zu Hause… Obwohl die Kneipe einem (ebenfalls zunehmend übellaunigem) Australier gehört, waren vor allem deutsche Fans vor Ort. Schwarz-Rot-Goldene Bierseligkeit, Auf geht’s Deutsche schießt ein Tor und sogar '54, '74, '90, 2010 füllten den Raum. In den nächsten Tagen habe ich vor, ein wenig durch Taiwan zu reisen, ich hoffe also, es gibt bald wieder etwas zu Berichten. Bis dahin liebe Grüße aus Taipei! Kerstin
Fulong King Kong in Fulong Am Jilong Fluss in Taipei Jay Chou in der Taipei Arena Am Rande: Eine darf hier niemals fehlen: Hello Kitty. Daneben das Schild, das die Intention des Künstlers erläutert. Kommentare
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Tolle neue Brille! Und wieder toller Bericht. Schwarzwälder Kirsch - dieses Mal ganz ohne Rezeptanfrage!
Liebe Grüße Bärbel
Der Schmetterling fliegt aber tief. Er hat wohl zu viel Torte gegessen?
Neidische Grüße aus dem Westen
Hallo Kerstin,
es macht immer Spaß etwas neues von Dir zu lesen. Du erlebst schöne Sachen. Ich weiss nicht ob Du Dich noch an mich erinnerst. Ich war mit Ben auf der Hochzeit von Katrin und Marco. Liebe Grüße aus NRW
Hallo Anke,
Natürlich erinnere ich mich an euch! Freu mich über deinen Kommentar und schicke dir viele liebe Grüße ins ferne Essen!
Wie immer auf Achse... !
Ich bin natürlich im WM-Fieber und freue mich, dass es auch ein bisschen bis zu dir schwappt. Dann genieß mal noch deine frei Woche und auf ein unstressiges letztes Semester! Vielleicht schaffen wir nach deinem Urlaub mal einen skype-Termin zu verabreden. Drück dich! |
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