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Sunday, 18. July 2010Der wilde OstenDie zweite (und leider auch schon letzte) Woche meiner Ferien habe ich in und um den Ort Taidong an der Ostküste Taiwans verbracht, Ort meiner Sehnsucht seit meinem letzten Besuch dort. Dieser ist schon eine ganze Weile her – ausnahmsweise weiß ich es ganz genau, denn es war zum Jahreswechsel 2000 / 2001. In meiner Erinnerung blühen meterhohe Weihnachtssterne dunkelrot vor hellblauen Bergen, erstrecken sich Reihen von Orangenbäumen auf Hügeln, die sanft dem Meer entgegen fallen. Das Wasser leuchtend türkis, die rauen Felsen am Ufer ein rauchiges schwarz, die Teeplantagen tannengrün. Mother Land Mountain Vacation Guest House in den Bergen Dulans, nahe Taidong Taiwans Süden gehört der tropischen Klimazone an, auf Mother Land konnte ich das am eigenen Körper erfahren. Das Hostel liegt am Ende eines schmalen Weges, welcher einen dünn besiedelten Berg hinauf führt, inmitten einer Landschaft, die man bei uns zu Hause wohl als Dschungel bezeichnen würde. Direkt vor dem Haus liegt ein vermutlich von diversen Taifunen weichgeschliffener Felsen, von dem aus man über das Palmenmeer hinweg freien Blick auf den Pazifik genießen kann. Die Küche liegt im Freien, wenn auch überdacht, ebenso die Toilette und die Duschen, letztere ohne Dach und ohne Wände – nur auf der einen Seite ist man durch einen Vorhang vor den Blicken der anderen Gäste geschützt. Beim Duschen ist man daher umgeben von wild wucherndem, sattem Grün, daraus hervor ragen Palmen, regenschirmartige Blätter, überdimensionierte Farne und leuchtende, rosafarbige Blumen in Kopfgröße. Schmetterlinge flattern umher, hin und wieder blinzelt ein Makake aus den Palmen auf einen herunter. Zum Glück interessieren sich letztere im Allgemeinen eher für Bananen als für duschende Touristen. Statt Weihnachtssternen und Orangen sind im Sommer Kokosnüsse, Ananas, Papayas, Mangos, Litschis und Jackfrüchte dabei reif zu werden, letztere hängen am Baum wie stachelige grüne Kartoffelsäcke und sind um einiges größer als mein Kopf. Eine vergleichsweise kleine Jackfrucht links, Ananasplantage rechts Dass der Dschungel nicht nur von niedlichen Affen und bunten Faltern bevölkert ist, merke ich, als ich eines abends auf die Idee komme, nach Anbruch der Dunkelheit zu duschen. Nun teile ich mir den Schein der Lampe mit Horden an handtellergroßen Motten, langbeinigen Spinnen und buntleuchtenden Käfern in Dimensionen, wie man sie in Deutschland höchstens in aufgespießter und katalogisierter Form findet. Hin und wieder hüpft mir ein kleiner, vielfarbiger Frosch um die Füße. Was jenseits des gelben Lampenscheines liegt, möchte ich gar nicht erst wissen. In meinem Gästezimmer befindet sich ein Plastikeimer, für den Fall, dass mich des Nachts ein dringendes Bedürfnis überkommen sollte. Mir wurde davon abgeraten, den Weg zur Toilette zu wagen, da Schlangen hier nachtaktiv und gerne auch mal giftig sind. Auch ein Paradies hat seine kleinen Mängel, dieses meine hat aber vor allem einen: das Wetter. Genauer gesagt die Sonne, unerbittlich ist sie hier. Schon früh am morgen bewegt sich das Thermometer steil Richtung 40 Grad Celsius, zusätzlich ist es dschungelfeucht. Mein einziger Wanderversuch muss nach zwei mühsamen Stunden abgebrochen werden. Zum Glück stolperte ich mit meiner Wanderpartnerin da gerade an einem Tempel vorbei, wo wir nicht nur Schatten und frischen Tee bekamen, sondern auch kopfschüttelndes Mitleid und - was noch viel wichtiger war - den hinweis auf eine Abkürzung zum Hostel zurück. Statt Wandern habe ich mich daher mit (ein wenig) weniger anstrengenden Aktivitäten begnügt wie in einem schattigen Park in Taidong Fahrrad zu fahren (auch schon extrem schweißtreibend) oder damit, das traditionelle Drachenbootrennen zum Drachenbootfest anzuschauen. Dieses Fest ist eines der wichtigsten taiwanesischen bzw. chinesischen Feiertage und geht auf Rettungsversuche zurück, die vor weit über 2000 Jahren veranstaltet wurden, als sich ein beliebter Dichter und Staatsmann nach ungerechter Behandlung durch den König in die Fluten eines Flusses stürzte. Nachmittags bin ich einige Male mit dem Hostelpärchen und ein, zwei anderen Gästen hinunter ans den Pazifik gefahren. An einen weiten Sandstrand in einer geschützten Bucht, den wir meistens ganz für uns alleine hatten, da viele Taiwanesen sowohl Angst vor Wasser als auch vor der Sonne haben. Einmal sind wir erst am frühen Abend dort angekommen, da haben wir uns den Strand mit einigen Ami geteilt. Die Ami sind einer der 14 Ureinwohnerstämme Taiwans, die allesamt nicht chinesischen, sondern austronesischen Ursprungs sind. Neuere Theorien gehen sogar davon aus, dass Taiwan selbst der Ursprungsort oder zumindest Ausgangspunkt aller austronesischen Völker ist, aber das nur am Rande. Diese Ami jedenfalls, vor allem ältere Frauen, tanzten einen traditionellen Tanz um zu feiern, dass ihr riesiges Feuer gelungen war, in dem sie unter anderem Süßkartoffeln gegart hatten. Sie ließen uns nicht nur mittanzen, sondern auch mitessen. Ein weiterer Lieblingspunkt dieser Reise: eines morgens bin ich früh auf den Felsen neben der Küche geklettert, um von dort den Sonnenaufgang über dem Meer zu genießen. Zu meinen Füßen ein Meer aus grün, neben mir auf dem Fels einzelne, riesige weiße Blüten. Im Hintergrund spielte die Symphonie des Dschungels: ein Klangteppich gespielt von Zikaden, in forte, darüber gelegt in unregemäßigem Rhythmus der Gesang der Affen, die Rufe ungesehener Vögel. Kleines Drachenbootrennen zum Drachenbootfest in Taidong Tanz der Ami am Strand Nach dem Aufenthalt in den Bergen habe ich noch zwei Tage direkt in Taidong verbracht, einer entspannte Küstenstadt, die mich an ein stereotypes Kalifornien erinnert - in Rhythmus, Wetter und Lebensgefühl. Ich habe dort eine Freundin besucht, die ich das letzte Mal vor vielen, vielen Jahren gesehen habe, als sie zwei Wochen lang bei mir in Freiburg zu Besuch war. Damals waren wir beim Wandern auf dem Schauinsland von einem Gewitter überrascht worden, ein Erlebnis, das tief in ihre Erinnerung eingebrannt ist. So schön es war, meine Freundin wieder zu sehen, so anstrengend war es auch. Sie musste arbeiten und hatte eigentlich kaum Zeit für mich. Ich kann im Allgemeinen ganz gut auf mich selbst aufpassen, aber das lässt die taiwanesische Höflichkeit nicht zu. So stellte sie mir verschiedene ihrer Freunde als Babysitter zur Seite, deren Hauptaufgabe es wohl war, mich irgendwie beschäftigt zu halten, sei es auch mit Supermarktbesuchen oder Eisessen bei McDonalds. Am zweiten Morgen habe ich es immerhin zwischen zwei Aufpassern geschafft, mir ein wenig Luft zu schaffen und mir (alleine und zum Unverständnis meiner Begleiter) das sehr schicke Prähistorische Museum anzuschauen, in dem oben erwähnte austronesische Kulturen Taiwans vorgestellt werden, archäologisch und ethnologisch. Am zweiten Nachmittag sind wir zu fünft in die Berge gefahren, wo wir nach einem Spaziergang mitten auf dem noch sehr traditionellen Land ein überraschend leckeres (sprich authentischer als in Taipei) westliches Essen in ebenso überraschender aber gemütlicher Ikeaidylle genossen haben. Die Berge waren wie in meiner Erinnerung – blau, voller Palmen und Teeplantagen. Daneben Ananasplantagen, jede Frucht einzeln liebevoll verpackt. Den farblichen Kontrapunkt setzten bunte Scharen an Paraglidern, scheinbar der neue Tourismustrend vor Ort. Reisfelder nahe Taidong Auf dieser Reise habe ich mal wieder bemerkt, wie klein Taiwan ist. Nicht in geographischer Hinsicht – Taidong ist eine halbe bis ganze Tagesreise von Taipei entfernt und bietet eine völlig andere Landschaft - sondern in zwischenmenschlicher. Ich frage mich immer wieder, wo der Rest der 30 Millionen Einwohner Taiwans bleibt. Die Kreise, die sich um Ausländer herum ziehen, scheinen sehr klein. Jedenfalls habe ich in dem Minihostel in Taidong neben einer sehr netten Sozialarbeiterin aus Hongkong die ebenfalls sehr nette Exfreundin meines Yogalehrers aus Taipei kennengelernt. Inzwischen sind schon vier Wochen meines vierten und damit letzten Quartals hier an der Uni vergangen. Das Sommerquartal ist nicht nur kürzer als die anderen drei, man hat auch weniger Unterricht, sprich – fast so etwas wie einen normalen 8-10 Stunden Tag. Das heißt, ich habe endlich Zeit, die vielen kulturellen Angebote Taipeis zu nutzen, oder auch tatsächlich mal zu schlafen. Meine Kurse gefallen mir zudem sehr gut: ich habe einen Filmkurs, in dem wir interessante Filme aus Taiwan, Hongkong und dem chinesischen Festland diskutieren (und regelmäßig mehrseitige Aufsätze darüber verfassen); einen Kurs in dem wir verschiedene chinesische und taiwanesische Kurzgeschichten lesen (für Interessierte: Lu Xun ist bisher mein Lieblingsautor); und schließlich einen Einzelkurs, in dem ich Aufsätze lese, bisher verschiedene aus den 90ern, in denen unter anderen die Entwicklung der chinesischen Intellektuellen im 20. Jahrhundert mit denen der deutschen Ende des 18. Jahrhunderts verglichen wird. Alles nicht gerade einfach, aber sehr spannend. Kurz: das Quartal ist mit Abstand mein bestes bis jetzt. Du sollst gehen, wenn es am Schönsten ist, heißt es wohl, und so wird auch mein Jahr im ICLP und an der Taida zu Ende gehen. Meine Zeit in Taiwan dagegen nicht unbedingt… aber da ist noch vieles unausgegoren und soll daher an anderer Stelle berichtet werden. Bis dahin kämpfe ich mit der Hitze in Taipei, die in der Großstadt viel weniger angebracht scheint als in der Wildnis, und versuche weiterhin vergeblich, mir im inzwischen 35 Grad Celsius (!) warmen Uni-Schwimmbecken Abkühlung zu verschaffen. Liebe Grüße aus Taipei! Kerstin Am Rande: Eines abends saßen wir vor dem Hostel um ein Lagerfeuer. Zwei der Hostelgäste hatten noch ein paar Taidonger Freunde zum abendlichen Grillen mitgebracht. Darunter drei junge Kerle, alle drei vom Ami-Stamm. Sie waren sehr interessiert an mir, an Deutschland. Der erste wandelte die ansonsten übliche Frage nach den deutschen Autobahnen und der fehlenden Geschwindigkeitsbegrenzung ab, indem er feststellte: „Ah! Deutschland! Das ist das Land, in dem man mit Panzern auf der Straße fahren kann!“ Sein Nachbar fügte hinzu: „Und das Land, in dem man überall legal Marihuana kaufen kann, oder?“ Der dritte: „Deutschland ist das Land mit der großen Kirche. Aber pah, was ist das schon? Große Kirche, Eiffelturm… heutzutage kann man so was alles bei Google eingeben, und dann hat man es auf dem Bildschirm. Wirklich!“
Kommentare
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ach kerstin, das klingt einfach toll! vor allem das hostel haette mich ja interessiert mensch mensch, frag mich nur wann wir uns wiedersehn...freu mich hoffentlich bald wieder mit dir zu quatschen!
hallo kerstin!
ich kenne dich zwar (leider) nicht persönlich, bin aber durch klaus (bardenhagen) glücklicherweise auf deinen blog gestoßen und finde ihn ganz toll! außerdem glaube ich, sind wir fast nachbarn, ich wohne taishun lane 39 ^_^ falls du noch ein wenig länger in taipei bist (danach hört es sich ja an) und du mal zeit und lust auf einen kaffee hast, dann würde ich mich über eine mail freuen! viele grüße rike |
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