Erst wochenlang gar kein Lebenszeichen und dann gleich zwei Beiträge kurz hintereinander, tststs. Dafür geht es in diesem Eintrag um das Vertraute anstatt um das Fremde. Keine Angst, es soll nicht mein eigener kleiner Nabel fokussiert werden. Vielmehr unser aller Nabel, oder zumindest der Nabel der allermeisten Leser dieses Blogs. Ich möchte euch mitnehmen auf eine kleine Stippvisite zu Taipeis Stammtischen und Supermärkten, auf der Suche nach einem Spiegelbild Deutschlands. Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage: Was ist Deutschland, aus der Perspektive Taipeis?
Natürlich, wie wohl überall auf der Welt heißt hier Deutschland auch
Autos und
Bier und
Würstchen.
Autos! Ich kann inzwischen schon nicht mehr zählen, mit wie vielen Taxifahrern ich mich schon über die Vorteile von Mercedes, Audi und co. unterhalten habe. Wie oft ich die Frage (mehr schlecht als recht) beantwortet habe, was so ein Auto denn in Deutschland koste. Wie oft ich mich schon über Autobahnen unterhalten habe (und über die Panzer darauf, siehe
Eintrag zum Wilden Osten). Die Begeisterung für deutsche Technik im Allgemeinen ist hier groß, was sich in der Praxis nicht nur in der Anzahl der deutschen Autos zeigt (auffallend hoch), sondern z.B. auch in den Zügen der Taipeier U-Bahn, in denen jeweils eine goldene Siemens-Plakette prangt.
Bier! Zwar ist belgisches Bier hier beliebter, Erdinger, Warsteiner vom Faß und sogar Astra sind in Taipei dennoch nicht nur in Studentenkneipen allgegenwärtig. Zudem ist Bier ein integraler Teil des hiesigen Deutschlandbilds. Möchte ich als Repräsentantin dieses Bilds einmal kein Bier trinken, werde ich schief angeschaut. Wie schon einmal erwähnt, eine Flasche Bier ohne Öffner öffnen zu können zählt hier (wie auch bei meinen amerikanischen Freunden) als genialer Zirkustrick, der allerdings von mir als Deutsche auch nicht anders erwartet wird. (Siehe Eintrag
Bieridentitäten)
Würstchen! Original Deutsche Würstchen gibt es hier, einzeln eingeschweißt, an jeder Ecke. Allerdings denkt man hier beim Stichwort deutsches Essen eher an Schweinshaxen, oder Schweinefüße, wie sie genannt werden. Die dürfen in keinem deutschen Restaurant in Taipei fehlen - wie auch in keiner Reise eines Taiwanesen nach Deutschland. Ich kann jede gesellige Runde in Taipei erheitern, indem ich nebenbei fallen lasse, dass ich noch nie Schweinshaxen gegessen habe. Erstaunen kann ich dagegen viele Menschen hier, wenn ich erzähle, dass in Deutschland auch Reis gegessen wird. Das können sich viele Menschen hier nicht vorstellen, da sie wissen, dass Brot der Reis des Westens ist. Dass wir neben Brot auch Kartoffeln essen, finden die meisten noch logisch. Bei Nudeln wird der Gedanke schon etwas schwieriger, aber Reis? Das Monopolprodukt des Ostens zu Schweinshaxen?! Unter diesem deutschen täglich Brot stellen sich die meisten Menschen hier im Übrigen das vor, was hier unter Brot läuft: süßes Hefegebäck, häufig mit einer süßen Paste aus roten Bohnen oder Pudding gefüllt. Inzwischen gibt es zu meiner großen Freude ein, zwei richtige deutsche Bäcker in Taipei. Die meisten Taiwanesen finden das Brot dort aber viel zu sauer und vor allem viel zu knusprig – Brot hat gefälligst weich zu sein. Ein deutscher Bäcker hier erzählte, wie sich seine Kunden bei ihm beschwerten: sie bekämen vom Brotessen Muskelkalter im Kiefer.
So viel zum traditionellen Bild von Deutschland. Auch wenn das Bild von Deutschland als Land der Lederhosen, Maßkrüge und gebratener Fleischberge durchaus noch verbreitet ist, zeigt sich in längeren Gesprächen mit den Menschen hier ein differenzierteres Bild, das vom Rechtssystem bis zum Umweltschutz viele verschiedene Aspekte beinhaltet. Setzten wir also unsere Shoppingtour und Spurensuche fort.
Neben Autos kommt auch viel Umweltschutztechnologie in Taiwan aus Deutschland – bis hin zu den Energiesparlampen im Supermarkt. Auch angesorochen worden bin ich darauf schon oft, Deutschland als Land der grünen Technologie. Dazu zählen auch Nahrungsmittel. Noch häufiger als deutsches Bier ist in Taipei nur eines: deutsches Malzbier. Es wird hier vermarktet als besonders gesundes und natürliches Qualitätsprodukt und ist in so gut wie jedem Restaurant und jedem Supermarkt zu haben. Als ich gleich nach meiner Ankunft in Taiwan zu meiner früheren Gastfamilie in Tainan gefahren bin, haben sie mir in einem Plastikbecher ein neues Getränk zum probieren gegeben, ganz gesund und toll sei es. Sie würden mir aber erst nach dem Probieren sagen, was es sei. Das machte mich aus Erfahrung mit eben jener Familie ziemlich misstrauisch, ich vermutete in der dunklen Brühe Schweineblut, Schlangenschnaps oder Ähnliches. Probiert habe ich trotzdem und mich sehr gefreut. Als ich die dazugehörige Dose untersuchen durfte, habe ich hinten das made in Germany entdeckt, das meiner Gastfamilie entgangen war.
Bio ist ganz allgemein auch in Taiwan in. Da die deutschen Ökorichtlinien hier als besonders streng bekannt sind, wird vieles aus Deutschland importiert, wo natürlich oder ökologisch drauf steht. Das fängt bei einfachen Dingen wie Mineralwasser an, geht über Müsli (in meinem Supermarkt kommt säntliches Müsli aus der Schweiz und aus Deutschland) und Joghurt (leider bis jetzt kein Naturjoghurt sondern nur süßer Früchtegut… aber kann ja noch werden. Auf, ihr Geschäftsmänner!) bis hin zu Vitamintabletten und Tees. Letzteres finde ich besonders interessant… Kräutertees sind im Ausland häufig schwer zu bekommen, das habe ich schon des Öfteren erfahren müssen, daher freue ich mich sehr über den derzeitigen Trend. Allerdings werden nicht nur Kräutertees, sondern auch Schwarz- und sogar Grüntees importiert. Original aus Deutschland! Ich frage mich allerdings, wo dieser deutsche Grüntee wohl angebaut wird…?
Ein weiterer für mich überraschender Exportschlager sind deutsche Brettspiele. Brettspiele sind hier unter Jugendlichen zur Zeit der Hit schlechthin, es gibt sogar extra Brettspielcafés, in denen sich die Spielfreunde treffen können. Und die Spiele kommen zum überwiegenden Teil aus Deutschland. Ich bin schon einige Male von jungen Taiwanesen angesprochen worden: „Du bist aus Deutschland?? Wahnsinn! Könntest du mir vielleicht diese Spielanleitung übersetzen? Ich versuche schon so lange, dieses Spiel zu spielen!“
Nicht alle Produkte werden so direkt importiert wie die Brettspiele: Deutsche Produkte werden auch gerne mal an den heimischen Markt angepasst. Ein Beispiel: Hier enthalten so gut wie alle Hautcremes Bleichungsmittel, weil weiße Haut als besonders schön gilt. Auch Nivea schließt sich da an – selbst beim Deo. Und: Der deutsche Bäcker verkauft inzwischen (leider) weiches Brot.
So viel zu meiner kleinen, nicht abschließenden Waren- und Vorurteilskunde. Im nächsten Blogeintrag wird es wieder um das Gegenteil gehen, um den deutschen Blick auf Taiwan. Diesmal jedoch nicht nur mein persönlicher, enger Blick: ich bekomme heute Verstärkung aus Deutschland! Nicht nur ein, sondern gleich vier liebe Menschen kommen mich besuchen, um mit mir zusammen Taiwan zu bestaunen!
Liebe Grüße an alle,
Kerstin
PS. Wer Chinesisch lesen kann oder nur mal sehen möchte, wie das so aussieht, der kann meinen Artikel in unserer Unizeitung lesen. Es geht um – keine Überraschung für die, die mich kennen –
Schiller und seinen Schädel.
Am Rande: Passt nicht so zur Shoppingtour, daher an dieser Stelle: ich habe schon viele Menschen getroffen, die davon ausgehen, dass es in Deutschland immer kalt ist. Wenn ich ihnen erzähle, dass wir im Sommer auch mal über dreißig Grad haben, ist das fast genau so ein großer Schock wie die Sache mit dem Reisessen. Oder wie wenn ich in Deutschland erzähle, dass Taiwanesen auch Brot essen und Kaffee trinken.
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